von Clemens Ronnefeldt*
Liebe Friedensinteressierte,
heute Nacht bombardierten Streitkräfte der USA, Großbritanniens und Frankreichs Ziele in Syrien.
Die nachfolgende Begründungs-Rede von US-Präsident D. Trump ist – vor allem auch vor dem Hintergrund der US-Intervention in Irak 2003 – an Zynismus schwer zu überbieten.
Wegen ihrer religiösen Passagen ist sie auch ein Weckruf an die Kirchen, möglichst schnell deutlichen Widerspruch zu formulieren.
Samstag, 14.04.2018 11:05 Uhr
Trumps Syrien-Ansprache im Video
„Es sind die Verbrechen eines Monsters“
(…) Keine Menge amerikanischen Blutes kann dauerhaft Frieden und Sicherheit im Nahen Osten schaffen. Es ist ein unruhiger Ort. Wir werden versuchen, es zu einem besseren Ort zu machen, aber es ist ein unruhiger Ort. Die Vereinigten Staaten werden ein Partner und ein Freund sein, aber das Schicksal der Region liegt in den Händen ihrer eigenen Leute. (…)
Heute haben die Nationen Großbritanniens, Frankreichs und der USA ihre rechtschaffene Macht gegen Barbarei und Brutalität eingesetzt.
Heute Abend bitte ich alle Amerikaner, ein Gebet für unsere edlen Krieger und unsere Verbündeten zu sprechen, während sie ihre Einsätze ausführen.
Wir beten, dass Gott den Leidenden in Syrien Trost spendet. Wir beten, dass Gott die ganze Region in eine Zukunft der Würde und des Friedens führen wird.
Und wir beten, dass Gott weiterhin über die Vereinigten Staaten wachen wird und sie segnen wird. (…)
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In der heutigen SZ-Printausgabe, 14./15. April 2018 schreibt Alan Cassidy
auf Seite 8 unter dem Titel:
Frontal gegen den Willen der Basis
Schluss mit Interventionen – das war eines von Trumps zentralen Wahlversprechen.
Nun steht er kurz davor, es zu brechen.
„ (…) Mit dem neuen Außenminister Mike Pompeo steht nun das, was manche in Washington Trump ‚Kriegskabinett‘ nennen. (…) Doch als
Kongressabgeordneter hatte er sich immer wieder für eine hartes, auch militärisches Vorgehen gegen Nordkorea und Iran ausgesprochen. Und vor dem Senat machte Pompeo unmissverständlich klar, dass er die bisherige US-Politik gegenüber Russland für zu lasch hält. Das verbindet ihn mit John Bolton, dem neuen Sicherheitsberater. (…)
Drei hochrangige Berater haben den Nationalen Sicherheitsrat diese Woche verlassen. Nach Medienberichten plant Bolton, sie durch frühere
Weggefährten zu ersetzen. ‚Die guten alten Tage sind wieder da’, sagte ein Vertrauter Boltons dem Magazin The Atlantic erfreut, ‚ Wir sind
zurück‘. „
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Der Zeitpunkt des Syrien-Angriffs könnte auch mit der nachfolgenden
Buchveröffentlichung in Zusammenhang stehen:
http://www.sueddeutsche.de/politik/usa-erinnerungen-in-orange-1.3943301
13. April 2018, 18:54 Uhr
USA
Erinnerungen in Orange
Der im vergangenen Jahr geschasste FBI-Chef James Comey präsentiert sein Trump-Buch.
Er lässt darin kein gutes Haar an seinem Präsidenten.
Von Christian Zaschke, New York
Die für Trump gefährlichste Passage ist eine, über die Comey schon einmal Auskunft gegeben hat. Nachdem Trump seinen
Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn feuern musste, weil dieser im Amt gelogen hatte, sagte er angeblich zu Comey, dass er hoffe, dieser
könne die Sache auf sich beruhen lassen. Flynn sei doch ein guter Mann. Die Frage ist, ob diese Bitte so ernst zu nehmen war, dass sie
eine Aufforderung zur Einflussnahme auf die oder gar zur Behinderung der Justiz darstellt. Comey nennt die Szene „besorgniserregend“.
Am interessantesten sind die Passagen, in denen Comey das System Trump beschreibt und Einschätzungen von dessen Charakter anbietet. Comey hat in seiner Laufbahn unter anderem lange gegen die New Yorker Mafia ermittelt, und als er erstmals mit Trump und dessen Team zusammensaß, wähnte er sich in diese Zeit zurückversetzt. „Ich fühlte mich an die Klubs der New Yorker Mafia erinnert, die ich in den 1980er- und 1990er-Jahren als Staatsanwalt kennengelernt hatte“, schreibt er: „Der Ravenite Club der Gambinos. The Palma Boys Social Club, in dem ,Fat Tony‘ Salerno mit seinen Kumpels feierte. Das Café Giordano, wo dem FBI 1988 ein erster großer Schlag gegen die Dons gelungen war.“ Dass ein ehemaliger FBI-Chef den amtierenden amerikanischen Präsidenten so offen mit Mafia-Bossen vergleicht, ist durchaus bemerkenswert.
Comey beschreibt Trump als habituellen Lügner, als unethischen Anführer, der frei sei von menschlichen Emotionen und alles seinem Ego
unterordne. Nichts, aber auch wirklich nichts Gutes kann Comey an Trump finden. Was dessen Präsidentschaft für die USA bedeutet, hat er
so zusammengefasst: „Wir durchleben in unserem Land gerade eine gefährliche Zeit, mit einem politischen Klima, in dem Fakten
angezweifelt, fundamentale Wahrheiten infrage gestellt, Lügen für normal erklärt und unethisches Verhalten ignoriert, entschuldigt oder
sogar belohnt werden.“
Trump reagierte am Freitag auf seine Art – über Twitter bezeichnete er Comey als „verlogenen Schleimscheißer“.
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Sollte tatsächlich ein Chemiewaffenlager getroffen worden sein – just zu dem Zeitpunkt, als ein OPCW-Team in Syrien seine Untersuchungen beginnen wollte – stellt sich die Frage: Haben die drei Nato-Staaten USA, Großbritannien und Frankreich
damit nicht den Tod weiterer Menschen in Kauf genommen?
Warum fällt dieser Widerspruch in der Bombardierungsbegründung nur wenigen Medien auf und wird entsprechend thematisiert?
Samstag, 14.04.2018 05:06 Uhr
Nach Ankündigung von Donald Trump
USA bombardieren Chemiewaffen-Ziele in Syrien
Ein Forschungszentrum in Damaskus und ein Chemiewaffenlager in Homs wurden getroffen:
Die USA haben zusammen mit Frankreich und Großbritannien Ziele in Syrien bombardiert.
(…)
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Da es keinerlei völkerrechtliche Grundlage für den heutigen nächtlichen Angriff gab, stellt er eine eindeutige Völkerrechtsverletzung dar:
14. April 2018 08:02
Konflikte
Syrien: Angriff verstößt gegen internationales Recht
Direkt aus dem dpa-Newskanal
Damaskus (dpa) – Syrien hat den Angriff der drei Westmächte auf das Land als „offenen Verstoß“ gegen internationales Recht „auf Schärfste“
kritisiert. Das Außenministerium in Damaskus forderte die internationale Gemeinschaft in einer Mitteilung dazu auf, die
„Aggression“ zu veurteilen. Diese stelle eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der Welt dar. Der Angriff sei zeitgleich mit der
Ankunft der Ermittlungskommission der Organisation für das Verbot mit Chemiewaffen in Syrien erfolgt. Die Ermittler sollen herausfinden, ob
vor einer Woche in der Stadt Duma Giftgas eingesetzt wurde.
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Hier die Reaktion aus Moskaus:
Samstag, 14.04.2018 09:17 Uhr
Reaktionen auf US-Militärschlag Putin fordert Sitzung des Uno-Sicherheitsrates
Russland hat den Angriff der USA, Frankreichs und Großbritanniens in Syrien scharf kritisiert.
Präsident Putin appellierte an die Uno. Das Assad-Regime spricht von „barbarischer und brutaler Aggression“.
(…) Der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, drohte mit Konsequenzen, wie die russische Nachrichtenagentur Tass berichtet. Wie diese aussehen könnten, blieb zunächst unklar. Es sei jedenfalls „inakzeptabel und unzulässig“, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu beleidigen, sagte Antonow weiter.
Das russische Außenministerium erklärte in Moskau, die westlichen Angriffe kämen zu einem Zeitpunkt, an dem Syrien gerade eine „Chance
auf eine friedliche Zukunft“ gehabt habe. Russland hatte 2015 auf Seiten Assads in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen. Das russische
Verteidigungsministerium teilte indes mit, es seien keine Raketen der USA und ihrer Verbündeten in den „Verantwortungsbereich“ der russischen Luftabwehr eingedrungen.
Viktor Bondarew, der Ausschussvorsitzende des russischen Föderationsrates für Verteidigung und Sicherheit, forderte harte
Gegenmaßnahmen. „Solche Handlungen sind ein Verbrechen gegen die Welt und die Menschheit. Das erfordert harte Maßnahmen.“ Gleichzeitig müssten diese jedoch angemessen und durchdacht sein, sagte er der Agentur Tass. Die Schritte sollten nicht nur von Russland, sondern auch von der Weltgemeinschaft kommen. (…)
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Hier die m.E. skandalöse Reaktion der deutschen Bundesregierung:
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2018/04/2018-04-14-syrien.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Samstag, 14. April 2018
Bundeskanzlerin Merkel zu den Militärschlägen der USA, Großbritanniens und Frankreichs in Syrien
Im syrischen Duma sind vor wenigen Tagen durch einen abscheulichen Chemiewaffenangriff zahlreiche Kinder, Frauen und Männer ums Leben gekommen. Alle vorliegenden Erkenntnisse weisen auf die Verantwortung des Assad-Regimes hin, das auch in der Vergangenheit vielfach Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Zum wiederholten Mal hat Russland auch im vorliegenden Fall durch seine Blockade im UN-Sicherheitsrat eine unabhängige Untersuchung der Geschehnisse verhindert.
Im Hinblick hierauf haben unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten heute Nacht gezielte Luftschläge gegen
militärische Einrichtungen des syrischen Regimes durchgeführt. Dieses Vorgehen hat zum Ziel, die Fähigkeit des Regimes zum
Chemiewaffeneinsatz zu beschneiden und es von weiteren Verstößen gegen die Chemiewaffenkonvention abzuhalten.
Wir unterstützen es, dass unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten als ständige Mitglieder des
UN-Sicherheitsrats in dieser Weise Verantwortung übernommen haben. Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen. 100 Jahre nach Beendigung des Ersten Weltkrieges sind wir alle aufgerufen, einer Erosion der Chemiewaffenkonvention entgegenzuwirken. Deutschland wird alle diplomatischen Schritte in diese Richtung entschlossen unterstützen.
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Die Bundeskanzlerin hatte noch vor zwei Tagen erklärt, dass sich Deutschland an Militäraktionen nicht beteiligen wird – was in Spannung zu dieser Meldung steht:
Deutsches Marineschiff mit US-Flugzeugträger auf dem Weg ins Mittelmeer
11. April 2018
Harald Neuber
Fregatte „Hessen“ begleitet US-Kampfverband. Verlegung war geplant, bekommt wegen Syrien-Krise aber neue Brisanz
Die deutsche Fregatte „Hessen“ ist heute nach Informationen der US-Marine mit dem US-Flugzeugträger „Harry S. Truman“ in
Richtung Mittelmeer aufgebrochen. Die „Hessen“ lag zuletzt im Marinehafen von Norfolk und soll, wie es bei der US-Marine heißt, den
US-Kampfverbund von gut einem Dutzend Kriegsschiffen um die „USS Harry
S. Truman“ auf der ersten Wegstrecke begleiten.
„Derzeitig ist geplant, dass die Fregatte nach Ankunft im
Mittelmeer beim Verband verbleibt und mit diesem an verschiedenen
Übungen teilnehmen wird“, hieß es auf Anfrage von Telepolis aus
dem Marinekommando. Genaue Planungen würden nach Ankunft des Verbandes
im Mittelmeer erfolgen. (…)
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n-tv hat einen Liveticker zum Angriff auf Syrien eingerichtet, daraus zwei Meldungen:
Samstag, 14. April 2018
https://www.n-tv.de/politik/14-17-Sicherheitsrat-tritt-in-Kuerze-zusammen–article20384096.html
14:17 Sicherheitsrat tritt in Kürze zusammen +++
Der UN-Sicherheitsrat kommt am Samstag um 17.00 Uhr zusammen.
Die Sondersitzung wurde von Russland nach den Luftangriffen in Syrien beantragt.
(…)
13:17 OPCW macht in Duma weiter +++
Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) will ihre Mission in Duma fortsetzen. In einer Erklärung der Organisation heißt
es: „Das Team der Fact Finding Mission (FFM) der Organisation für das Verbot chemischer Waffen wird seine Entsendung nach Syrien fortsetzen, um Fakten über die Vorwürfe der Verwendung chemischer Waffen in Duma
zu ermitteln.“
(…)
12.07 Vollmer: Macron ist entzaubert +++
Antje Vollmer, ehemalige Vizepräsidentin des Bundestags, kritisiert die Angriffe auf Syrien scharf.
„Es handelt sich um einen eindeutigen Bruch des Völkerrechts, eine feindlichen Akt gegen den UN-Generalsekretär, der klar vor
solchen Aktionen gewarnt hatte“, sagte sie im Interview mit n-tv.de. Zudem sei der Angriff ein Hohn angesichts der Untersuchungskommission, die heute erst anreisen sollte, um den möglichen Einsatz von Chemiewaffen zu untersuchen. Vollmer: „Es ist auch ein Schaden für Europa eingetreten durch die Selbstermächtigung von Großbritanniens Premierministerin Theresa May und Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron. So schnell entzaubert sich eine vermeintliche Lichtgestalt.“
(…)
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Der nachfolgende Analyse von Christoph Sydow zeigt die Unterschiede der heutigen Militäraktionen zu denen des letzten Jahres auf – und
stellt zurecht die nicht vorhandene Strategie-Frage:
Militärschlag gegen Assad-Regime
Hundert Raketen sind noch keine Strategie
Die USA, Großbritannien und Frankreich haben nach sechs Tagen militärisch auf den mutmaßlichen Giftangriff auf Duma reagiert.
Trump und seine Verbündeten wollen damit künftige Chemieangriffe verhindern. Kann das klappen?
Eine Analyse von Christoph Sydow
Samstag, 14.04.2018 10:09 Uhr
(…) Nach einer Stunde war alles vorbei: Um 4 Uhr nachts syrischer Zeit trat US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus vor die Kameras und verkündete eine Militäroperation gegen das Chemiewaffenprogramm des syrischen Regimes. 60 Minuten später gaben US-Verteidigungsminister James Mattis und Generalstabschef Joseph Dunford im Pentagon schon
das Ende der Angriffe bekannt. (…)
In mehreren Punkten unterscheidet sich der jetzige Vergeltungsschlag vom US-Angriff des vergangenen Jahres. Zum einen handelt Washington in diesem Jahr nicht im Alleingang, sondern im Verbund mit Großbritannien und Frankreich. Die syrischen Staatsmedien sprechen deshalb von der Drei-Parteien-Agression. Unter diesem Namen ist in der arabischen Welt bis heute die Suezkrise 1956 bekannt. Damals führten Großbritannien, Frankreich und Israel Krieg gegen den ägyptischen Staatschef Gamal Abdel Nasser – in die Rolle des bis heute bewunderten Diktators will nun offenbar Baschar al-Assad schlüpfen.
Zum zweiten wurde Russland anders als vor einem Jahr nicht konkret über den bevorstehenden Angriff informiert. Zwar koordinierte das Pentagon mit dem russischen Militär über einen Gesprächskanal die Sperrung des syrischen Luftraums – aber das ist seit Jahren Alltag. Die genauen Zielkoordinaten teilte Washington allerdings nicht mit. Anders als vor einem Jahr: damals gaben die USA den Russen mehrere Stunden Zeit, um ihre Soldaten auf dem Flugplatz Schairat in Sicherheit zu bringen. Das US-Verteidigungsministerium betonte jedoch, man habe die Angriffsziele vom Freitag so gewählt, dass keine russischen Soldaten und syrischen Zivilisten gefährdet würden. Gleichwohl ist die fehlende Absprache ein Zeichen größerer Entschlossenheit gegenüber Russland. (…)
Die Frage, ob Trump mit den Angriffen vom Freitag den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien künftig verhindert, stellt sich aber auch aus strategischer Sicht. Waren die Attacken für Assad so verlustreich, dass er vor weiteren Gasangriffen zurückschreckt? Wenige Stunden danach sieht es nicht danach aus.
*Clemens Ronnefeldt
Referent für Friedensfragen beim deutschen
Zweig des internationalen Versöhnungsbundes
A.-v.-Humboldt-Weg 8a
85354 Freising